Im Projektmanagement ist im Zuge einer Earned Value Analyse (EVA) u.a. die Berechnung des Fertigstellungswerts, FW (Earned Value, EV) ein zentrales Instrument zur Überwachung und Steuerung von Projekten. Der Fertigstellungswert hilft dabei, den aktuellen Fortschritt des Projekts objektiv zu bewerten und ermöglicht eine fundierte Entscheidungsfindung. In diesem Blogbeitrag werden wir detailliert erläutern, wie der Fertigstellungswert berechnet wird und welche Methoden zur Ermittlung des Fertigstellungsgrads, FGR (Percentage Complete, PC) zur Verfügung stehen.
Die nachfolgende Übersicht soll helfen das Beispiel hinsichtlich der Abkürzungen und Bezeichnungen, welche im Zuge der EVA angewandt werden, besser zu verstehen. Dabei werden diese in deutscher und englischer Sprache dargestellt.
Übersicht der Abkürzungen und Bezeichnungen im Zuge der EVA in deutscher und englischer Sprache
1. Formel für den Fertigstellungswert (FW)
Der Fertigstellungswert wird mit der folgenden Formel berechnet:
Fertigstellungswert (FW) = Fertigstellungsgrad (FGR) × Plan Gesamtkosten (PGK)
In englischer Terminologie:
Earned Value (EV) = Percentage Complete (PC) × Budget at Completion (BAC)
2. Ermittlung des Fertigstellungsgrads (FGR)
Der Fertigstellungsgrad gibt an, wie viel Prozent der geplanten Arbeit bereits abgeschlossen wurde. Es gibt verschiedene Methoden zur Ermittlung des Fertigstellungsgrads, die je nach Art und Komplexität des Projekts angewendet werden können. Im Folgenden werden die gängigsten Methoden ausführlich beschrieben:
Schätzung durch Experten
Bei dieser Methode werden Experten, die tief in das Projekt involviert sind, gebeten, eine Schätzung des Fertigstellungsgrads abzugeben. Diese Methode ist besonders nützlich, wenn es keine quantitativen Daten gibt, um den Fortschritt zu messen. Expertenbewertungen basieren auf Erfahrung und Fachwissen und können wertvolle Einblicke bieten.
Vorteile: Schnell durchführbar, nutzt das Fachwissen der Experten.
Nachteile: Subjektivität kann zu Ungenauigkeiten führen, nicht immer reproduzierbar.
Meilenstein-Methode
Hierbei wird der Fortschritt anhand von definierten Meilensteinen gemessen. Jeder Meilenstein repräsentiert einen bestimmten Prozentsatz des gesamten Projekts. Wenn ein Meilenstein erreicht wird, wird der entsprechende Prozentsatz zum Fertigstellungsgrad addiert. Diese Methode ist besonders nützlich für Projekte mit klar definierten Zwischenzielen.
Vorteile: Klar definierte Zwischenziele, einfache Nachverfolgung.
Nachteile: Kann ungenau sein, wenn Meilensteine zu grob definiert sind.
50/50-Methode
Bei dieser Methode wird angenommen, dass 50% der Arbeit abgeschlossen sind, sobald eine Aufgabe begonnen wurde, und die restlichen 50% werden hinzugefügt, wenn die Aufgabe abgeschlossen ist. Diese Methode ist einfach und schnell anzuwenden, kann aber ungenau sein, wenn Aufgaben sehr unterschiedlich in ihrem Aufwand sind.
Vorteile: Einfach und schnell anwendbar.
Nachteile: Kann zu ungenauen Schätzungen führen, besonders bei Aufgaben mit unterschiedlichem Aufwand.
0/100-Methode
Diese Methode ist strenger und besagt, dass eine Aufgabe erst dann als abgeschlossen betrachtet wird, wenn sie vollständig abgeschlossen ist. Vorher wird der Fertigstellungsgrad als 0% betrachtet. Diese Methode eignet sich für Projekte, bei denen die Ergebnisse der Aktivitäten unsicher sind.
Vorteile: Sehr genau, wenn die Aufgabe abgeschlossen ist.
Nachteile: Kein Fortschritt sichtbar, bis eine Aufgabe vollständig abgeschlossen ist.
Gewichtete Meilensteine
Bei dieser Methode werden Meilensteine unterschiedlich gewichtet, je nach ihrer Bedeutung und dem Aufwand, der für ihre Erreichung erforderlich ist. Diese Methode bietet eine genauere Schätzung des Fortschritts, erfordert aber eine sorgfältige Planung und Bewertung.
Vorteile: Genauere Schätzung des Fortschritts, berücksichtigt unterschiedliche Aufwände.
Nachteile: Erfordert detaillierte Planung und Bewertung.
Verhältnismethode
Diese Methode verwendet das Verhältnis der tatsächlich geleisteten Arbeit zur geplanten Arbeit. Dies kann durch die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden, die Menge der verbrauchten Ressourcen oder andere messbare Einheiten bestimmt werden. Diese Methode ist besonders nützlich, wenn genaue Daten über den Arbeitsaufwand vorliegen.
Vorteile: Hohe Genauigkeit, wenn genaue Daten vorliegen.
Nachteile: Erfordert genaue und kontinuierliche Datenerfassung.
3. Beispiel zur Berechnung des Fertigstellungswerts
Nehmen wir an, die Plan-Gesamtkosten (PGK) eines Projekts betragen 1.000.000 Euro.
Der Fertigstellungsgrad (FGR) wird anhand der Meilenstein-Methode auf 50% geschätzt. Der Fertigstellungswert (FW) würde dann wie folgt berechnet:
FW = 0,50 × 1.000.000 Euro = 500.000 Euro
Das bedeutet, dass der Wert der bisher geleisteten Arbeit 40.000 Euro beträgt.
Mit dem Fertigstellungswert (FW) wird dann die Kostenabweichung (KA) ermittelt.
4. Berechnung der Kostenabweichung (KA)
Die Kostenabweichung, KA (Cost Variance, CV) ist ein wichtiger Indikator im Projektmanagement, der die Differenz zwischen dem Fertigstellungswert, FW (Earned Value, EV) und den tatsächlichen Kosten, IK (Actual Cost, AC) eines Projekts misst. Sie hilft Projektmanagern, die finanzielle Leistung eines Projekts zu bewerten und frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um Budgetüberschreitungen zu vermeiden.
Formel zur Berechnung der Kostenabweichung
Die Kostenabweichung, KA (Cost Variance, CV) wird mit der folgenden Formel berechnet:
KA = FW - IK
(in englischer Terminologie CV = EV − AC)
Fertigstellungswert, FW: Der Wert der tatsächlich geleisteten Arbeit (Earned Value, EV)
IST-Kosten, IK: Die tatsächlichen Kosten der geleisteten Arbeit (Actual Cost, AC)
Bedeutung der Kostenabweichung, KA
KA = 0: Die tatsächlichen Kosten entsprechen genau dem Wert der geleisteten Arbeit. Das Projekt liegt genau im Budget.
KA > 0: Die tatsächlichen Kosten sind geringer als der Wert der geleisteten Arbeit. Das Projekt liegt unter dem Budget.
KA < 0: Die tatsächlichen Kosten sind höher als der Wert der geleisteten Arbeit. Das Projekt liegt über dem Budget.
Beispiel-Fortführung zur Berechnung der Kostenabweichung
Nehmen wir an, dass die Tatsächlichen Kosten, IK 600.000 Euro betragen.
Somit berechnet sich die Kostenabweichung, KA wie folgt:
KA = FW − IK = 500.000 Euro − 600.000 Euro = −100.000 Euro
Interpretation der Kostenabweichung
In diesem Beispiel beträgt die Kostenabweichung, KA -100.000 Euro, was bedeutet, dass das Projekt 100.000 Euro über dem Budget liegt. Dies kann auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein, wie unerwartete Kostensteigerungen, ineffiziente Ressourcennutzung oder Planungsfehler.
Maßnahmen bei negativer Kostenabweichung
Wenn die Kostenabweichung negativ ist (KA < 0), sollten Projektmanager folgende Maßnahmen in Betracht ziehen:
Ursachenanalyse: Identifizieren Sie die Hauptursachen für die Budgetüberschreitung.
Kostenkontrolle: Überprüfen und optimieren Sie die Ressourcennutzung und Ausgaben.
Plananpassung: Passen Sie den Projektplan an, um weitere Kostenüberschreitungen zu vermeiden.
Kommunikation: Informieren Sie Stakeholder über den aktuellen Stand und die geplanten Maßnahmen.
Die Berechnung und Interpretation der Kostenabweichung ist ein wesentlicher Bestandteil des Projektmanagements. Sie ermöglicht es, frühzeitig Budgetüberschreitungen zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Projekt wieder auf Kurs zu bringen. Durch regelmäßige Überwachung und Analyse der Kostenabweichung können Projektmanager die finanzielle Gesundheit des Projekts sicherstellen und erfolgreich zum Abschluss bringen.
5. Fazit
Die Berechnung des Fertigstellungswerts ist ein wesentlicher Bestandteil des Projektmanagements, der dabei hilft, den Fortschritt und die Leistung eines Projekts objektiv zu bewerten. Die Wahl der Methode zur Ermittlung des Fertigstellungsgrads hängt von der Art und Komplexität des Projekts ab. Durch die Anwendung der geeigneten Methode kann der Fertigstellungswert genau bestimmt werden, was wiederum eine fundierte Entscheidungsfindung und effektive Projektsteuerung ermöglicht. Eine kontinuierliche Überwachung des Fertigstellungsgrads ermöglicht es, Verzögerungen oder Probleme frühzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Die sorgfältige Anwendung dieser Methoden und die regelmäßige Aktualisierung der Daten sind entscheidend für den Erfolg eines Projekts. Indem man den Fertigstellungswert im Blick behält, können Projektmanager und Stakeholder sicherstellen, dass das Projekt auf dem richtigen Weg bleibt und die gesetzten Ziele termingerecht und im Budgetrahmen erreicht werden.
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